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Seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt

Das Haus Liah steht auf einem Grundstück der Pfarre Igls. Ohne die aktive Unterstützung von Pfarrer Magnus Roth O.Praem. hätte das Haus nicht errichtet werden können. Ende September 2024 geht er in Pension.

Lieber Magnus, wieso war es Dir wichtig, die Errichtung des Hauses Liah zu unterstützen?

Nach der großen Flüchtlingswelle 2015 hat es breite Diskussionen gegeben. Mir war es wichtig, als Kirche nicht tatenlos da zu stehen. Deshalb haben wir entschieden, ein Grundstück zur Verfügung zu stellen. Mir war bewusst, dass es nicht nur Begeisterte gibt. Es wurde gewarnt, dass es Drogen und Gewalt geben wird. Schlussendlich hat sich keine dieser Warnungen bewahrheitet.

Wie erlebst Du die geflüchteten Frauen und Kinder in Igls?

Es gefällt mir, wenn man die bunten Gewänder in Igls sieht. Und es war so schön, dass Elisabeth aus Nigeria beim Pfingstgottesdienst die Gaben zum Altar gebracht hat. Es gibt immer noch Skepsis. Aber dieses Projekt ist deshalb großartig, weil es viele quer durch die Igler und Viller Gesellschaft mittragen. Wir konnten dann, als das mit Lesbos war, nicht nur ein Transparent mit „Wir haben Platz“ aufhängen, sondern konnten Platz anbieten!

Was kann die Präsenz von Geflüchteten bewirken? 

Dass die Menschen sich gewöhnen, in einer vielfältigen Gesellschaft zu leben. Das prägt auch das Pfarrleben positiv. Die Taufe der zwei nigerianischen Buben war wunderschön. Natürlich könnten wir mehr tun. Die geflüchteten Frauen und Kinder leben am Waldrand, am Rand von Igls. Die Lage vom Haus Liah ist gut gewählt, aber für die Integration könnten wir bei manchen Gelegenheiten mehr tun.

Wieso soll sich die Kirche für geflüchtete Menschen einsetzen?

Also das ist die Uraufgabe der Kirche. Das ist vorgegeben in Jesu Rede vom Weltgericht und in den Seligpreisungen. Natürlich dürfen wir die eigenen Leute in Not nicht vernachlässigen. Durch den Sozialverein wird bei uns jedem und jeder geholfen.

Wie politisch soll die Kirche sein?

Die Kirche müsste politischer sein als sie es ist. Die christlichen Grundprinzipien müssen einfach immer wieder eingemahnt werden. Man würde sich wünschen, dass die offizielle Kirche mutiger auftritt.

Auf welche Weise soll die Kirche politisch sein?

Man kann beschauliche Predigten halten. Aber christliche Verkündigung muss auf Widerspruch stoßen, sonst ist sie leer. Diese Wurstigkeit, mit etwas Biedermeier und schönen religiösen Events, ist gefährlich. Da gibt es dieses schöne Zitat von Günther Eich: „Seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt.“ Wie soll man das machen? Mit viel Klugheit! Man ist Öl, wenn die Leute sagen, „Der Pfarrer hat das wieder nett gemacht.“ Andererseits soll man nicht alles schlecht reden. Die Kunst ist es, Glutnester aufzuspüren, die man entfachen kann. Nicht nur Prellblock will ich sein, sondern auch Ermöglicher, selbst wenn die Glutnester nicht von unserer Firma sind. Alle die beim Haus Liah mitarbeiten, ob kirchennah oder kirchenfern, sollen das Gefühl haben, wir sind da einer Kirche begegnet, die das alles mitträgt.

Wie haben sich die Menschen in Deinen 32 Jahren in Igls und Vill verändert?

Es hat sich viel verändert. Man müsste eigentlich einteilen: vor und nach Corona. Es ist nimmer diese unbeschwerte Gemeinschaft, auch durch die Kriege. Es hat einen Rückzug ins Private gegeben. Der theologische Standpunkt ist schwieriger geworden, durch die Kriege und die Pandemie. Letztlich stellt sich die Gottesfrage neu. Das Problem der Sprache. Die Medien. Religiöse Plattformen. Würde Paulus heute leben, er wäre Journalist und Influencer geworden!

Wir danken Dir für das Gespräch und Deine vielfältige Unterstützung über all die Jahre!